Fahrradfahren

Wenn die kleine Maus morgens aufwacht, kann sie kaum sagen, ob Suleyman schon da war oder nicht. Keine Plastikflaschen vor ihrem Eingang, keine Müllsäcke, die in den Ecken stehen – man merkt kaum, dass am Vortag so viele Menschen zum Essen dagewesen sind, subhanAllah. Den einzigen Müllbeutel, in dem sich hauptsächlich ein paar Papierservietten und leider immer noch Essensreste befinden, nimmt Suleyman meist schon direkt abends mit hinaus, wenn er nach Hause geht.
Irgendjemand hat sich am Abend auch schon einen Eimer und ein Tuch geschnappt und die Tische abgewischt, auf denen das Essen und der Wasserspender gestanden haben. So bleibt für Suleyman eigentlich nur noch, kurz durchzusaugen und alles wieder an seinen Platz zu richten. Doch selbst das ist kaum nötig – schließlich muss er keine Pakete mit Wasserflaschen mehr aus dem Keller holen und auch kein Wegwerfgeschirr mehr bereitstellen.
Da nun alle ihr Geschirr wieder mit nach Hause nehmen, verteilt sich die Arbeit auf viele Hände. Suleyman kann sich früher hinsetzen und sein tägliches Pensum im Qur'an-Lesen beginnen. Und weil er mehr Zeit hat, schafft er auch mehr Seiten pro Tag! Er hat sich nun das Ziel gesetzt, den Qur'an im Ramadan zweimal durchzulesen, inschaAllah.
Nach dem Mittagsgebet machen die Mitglieder der Projektgruppe "Nachhaltige Moschee" heute einen kleinen Rundgang. Vor allem ein Blick in den Hof der Moschee sorgt für viele "Ohs" und "Ahs" und begeisterte "MashaAllahs". Das macht die kleine Maus natürlich neugierig. Ein kurzer Blick verrät ihr auch, was so erstaunlich ist: Suleyman konnte den Restmüll- und den Plastikcontainer abbestellen, weil in der Moschee nun einfach nicht mehr so viel Müll anfällt. Und da auch keine Müllsäcke mehr herumstehen, sieht der Hof nicht nur sauber, sondern auch richtig leer aus!
"Diesen Platz könnten wir doch viel sinnvoller nutzen", sagt Suleyman dann. "Ich habe daran gedacht, Fahrradständer aufzustellen. Wenn die Geschwister mit dem Fahrrad statt mit dem Auto zur Moschee kommen, gibt es weniger Abgase – und besser für die Gesundheit ist es auch!"
"Ach, Fahrradfahren…", träumt die kleine Maus. "Das würde ich auch so gerne mal erleben!" Wenn sie aus einem der oberen Moscheefenster schaut, kann sie die Straße sehen. Sie reibt sich die kleinen Pfötchen vor Freude und Dankbarkeit, wenn sie dort Hunde oder Katzen vorbeilaufen sieht, die nicht wissen, dass sie hier, in der Moschee, sicher und zufrieden lebt, alhamdulillah. Schon oft hat sie auch Männer, Frauen und Kinder auf den lustigen Fahrrädern vorbeisausen sehen. Sie fragt sich jedes Mal, wie es kommt, dass sie nicht umkippen auf diesen schmalen Gefährten. Was Menschen alles können! Und die kleine Maus hat das Gefühl, sie merken gar nicht, wie besonders das ist. Sie flitzen einfach so hin und her und denken wohl, das sei ganz normal!
Neulich erst hat der Imam im Gebet aus der Sure Ibrahim gelesen: "Wenn ihr die Gunsterweise Allahs aufzählen wolltet, könntet ihr sie nicht erfassen. Gewiss, der Mensch ist wahrlich sehr oft ungerecht und sehr oft undankbar." Die kleine Maus hat es genau gehört und noch lange darüber nachgedacht. Ihre Mäusemama hatte ihr immer beigebracht, Allah dankbar zu sein. Es war ihr schon ein wenig peinlich, wie selbstverständlich sie das reiche Nahrungsangebot in den ersten Tagen des Ramadan angenommen hatte – und dass sie sogar fast sauer gewesen war, als weniger Reste übrig blieben. Dabei hat Allah natürlich das Recht, zu geben, was ER will, und es auch wieder zu nehmen. In dieser Nacht hat sie sich geschworen, in Zukunft mehr Dankbarkeit zu zeigen und nichts als selbstverständlich hinzunehmen.
Ja, und die Menschen haben sooooo viele besondere Gaben Allahs – allein die Fähigkeit, auf einem Fahrrad zu sitzen, ohne umzufallen, ihre Wege so schnell zu erledigen, das ist doch wirklich etwas ganz Besonderes! "Und Spaß scheint es auch noch zu machen!", piepst die kleine Maus.
Sie freut sich, dass nun inschaAllah mehr Gläubige mit dem Fahrrad zur Moschee kommen und damit die Umwelt schonen. Und weil der neue Fahrradparkplatz ja direkt im Hof der Moschee sein wird, findet sich ja vielleicht irgendwann auch eine Möglichkeit für die kleine Maus, sich den frischen Fahrtwind um die Mäusenase wehen zu lassen.