Die Flucht

Als die Maus am nächsten Morgen aufwacht, ist sie ganz verzweifelt. Sie hat noch immer keine Idee, wohin sie gehen soll, wenn die Katze in die Werkstatt einzieht. Aber dann erinnert sie sich an die Worte des Kunden. Es würde erst einmal nur ein Kätzchen sein, ein Junges. Da bräuchte sie doch wohl keine Angst zu haben, oder? Da hätte sie doch noch etwas Zeit, eine Lösung zu finden. Erleichtert beginnt die kleine Maus ihren Streifzug durch die Werkstatt.
Sie isst sich erst einmal satt an den Brotkrumen und dem Stückchen Käse, das der Töpfermeister am Vorabend auf seinem Abendbrotteller zurückgelassen hat. Da hört sie plötzlich jemanden an der Tür und huscht in ihr Versteck. Der Töpfer betritt seine Werkstatt und trägt einen Karton unter dem Arm. Die Maus riecht es sofort: Da ist eine Katze im Karton. "Ein Kätzchen!", spricht sie sich selbst Mut zu. Doch als der Töpfer den Karton öffnet, springt sofort miauend eine ausgewachsene Katze heraus! Erschrocken drückt sich die Maus ganz in die hinterste Ecke ihres Verstecks.
"Ruhig!", flüstert der Töpfer. "Ganz ruhig! Jetzt bekommst du erst einmal etwas zu essen und zu trinken." Damit verschwindet der Töpfer aus der Werkstatt in die Wohnräume. Die Katze läuft schnüffelnd durch die Werkstatt. Auch sie hat die Maus bereits gewittert. Doch hinter den Kisten ist es zu eng. Sie kommt nicht an die Maus heran. Alhamdulillah. Als der Töpfer mit ein paar Stückchen Fleisch auf einem Teller und einem Schälchen Milch zurückkommt, packt die Maus eilig ihre Sachen in ein Tuch, knotet es an einen kleinen Stock und wirft sich diesen über die Schulter.
Leise, wie es nur Mäuschen können, huscht sie auf dem obersten Regal Richtung Ausgang. Die Tür steht offen, alhamdulillah, und weg ist sie. Die Katze war so beschäftigt mit ihrer Mahlzeit, dass sie die Flucht des Mäuschens gar nicht mitbekommen hat.
Tagsüber ist es gefährlich in der Stadt. Überall laufen Menschen, und natürlich streunen auch Katzen durch die Straßen. Die kleine Maus drückt sich fest an die Hauswand und versucht, sich in den schützenden Schatten zu halten. Doch eine Frau entdeckt sie und schreit laut auf. Ein Kind zeigt auf sie, und schließlich springt eine Katze von einer Mauer und versucht, sie zu fangen. Die Maus schafft es gerade noch, sich und ihr Bündel hinter einer Regentonne in Sicherheit zu bringen. "Ya Illahi! Was soll ich bloß tun? Wo soll ich hin?" Sie beschließt, hinter der Regentonne auf die schützende Dunkelheit zu warten.
Nachdem es dunkel geworden ist, traut sie sich aus ihrem Versteck. Im Mondlicht huscht sie durch die nun menschenleeren Straßen. In einem Innenhof bellt ein Hund, und hinter einer Mauer kann sie eine Katze riechen. Sie versucht verzweifelt, ein neues Zuhause zu finden. Doch die Nacht ist kühl, und die Menschen halten ihre Fenster verschlossen.
"Ya Allah! Bitte zeige mir den Weg zu einem neuen, sicheren Zuhause für mich!", bittet die kleine Maus. Sie streckt ihre Pfötchen Richtung Himmel, denn sie weiß, dass Allah ihr Bittgebet erhören wird. Dann läuft sie weiter, gestärkt durch ihr Vertrauen.
Plötzlich steht sie vor einem großen Gebäude. So ein großes Haus hat sie noch nie gesehen. Es hat einen schmalen Turm und so viele Fenster. Eines davon muss doch einen kleinen Spalt offenstehen, sodass sich eine kleine Maus dadurch in Sicherheit bringen kann. Sie springt auf einen Mauervorsprung und dann auf noch einen. Sie läuft an den geschlossenen Fenstern vorbei. "Bismillah! Bismillah!", flüstert sie.
Und dann, sie kann es kaum glauben, steht sie vor einem offenen Fenster. Es ist nur einen kleinen Spalt breit geöffnet, aber sie schafft es, sich hindurchzuzwängen. "Alhamdulillah! Ich danke dir, ya Allah!", seufzt sie schließlich.
Im Mondschein kann sie sehen, dass sie sich in einem riesigen Raum befindet. Sie sieht keine Möbel: keine Werkbank, keine Stühle und keine Tische. "Was mag das für ein Gebäude sein?", fragt sie sich. Aber es ist angenehm ruhig, und es riecht weder nach Katzen noch nach Hunden. Sie schaut über den Rand der Fensterbank, auf der sie sitzt. Es scheint ziemlich weit nach unten zu gehen, aber sie hat keine andere Möglichkeit. Sie muss springen.
Zuerst wirft sie ihr Bündel hinunter. Sie erwartet ein Geräusch, wenn das Stöckchen auf den Boden fällt. Aber sie hört nichts. Ohne weiter zu überlegen, springt sie hinterher.
Sie landet ganz sanft auf einem weichen Untergrund. Der Boden ist ganz anders als der Boden, den sie aus der Werkstatt kennt. Er ist flauschig, und ihre kleinen Pfoten versinken darin. Sie schnappt sich ihr Bündel und huscht an der Wand entlang. Schließlich erreicht sie eine Ecke mit einem hohen Regal. Sie flitzt unter das Regal, rollt sich erschöpft auf dem kuscheligen Boden zusammen und schläft sofort ein.