Abschied

Schließlich ist die Zeit für das Mittagsgebet gekommen. Die Reste des Picknicks werden eingepackt. Nichts soll weggeworfen werden. Bestimmt haben vor allem die Kinder später noch einmal Hunger. Die Picknickdecken werden ausgeschüttelt und ordentlich nebeneinander gelegt. Einer der Jungen darf der Mu'azzan sein – der Rufer zum Gebet! Er klettert auf einen Baumstumpf und ruft so laut, dass es durch den ganzen Wald schallt: "Allahu akbar, Allaaaaaaahu akbar!" Alle schauen ihm dabei zu. Auch die kleine Maus hört gerührt zu.
Nach einer kurzen Wartezeit folgt der zweite Gebetsruf, der zum Aufstellen in die Reihen auffordert – die Iqama. Die Männer stellen sich vorn direkt hinter dem Imam auf. Dann haben die Kinder ihren Gebetsplatz und die Frauen reihen sich hinten auf. Und dann wird es ganz still in der Gruppe der Gläubigen. Alle lauschen. Man hört die Vögel singen und die Blätter im sanften Wind rauschen. Die warmen Sonnenstrahlen fallen auf die Lichtung, und wenn man ganz empfindliche Mäuseohren hat, hört man es sogar im Unterholz leise rascheln, wenn Tiere sich dort bewegen. Man kann gar nicht anders, als tief ein- und wieder auszuatmen. Die kleine Maus muss an ein Gespräch zwischen dem Imam und Suleyman vor einiger Zeit denken. Damals hatte Suleyman erzählt, dass es Menschen gibt, die gerne waldbaden. Damals hatte sie sich gewünscht, auch einmal in einem Wald "baden" zu dürfen. Auch diesen Wunsch hat Allah ihr heute erfüllt. "Al hamdulillah, wie großzügig Allah doch mit einer kleinen Maus am Festtag sein kann!", freut sich das Mäuschen. "Hier im Wald fühle ich mich Allah wirklich ganz nah!"
Als der Imam dann mit "Allahu akbar" das Gebet eröffnet, fällt es niemandem schwer, sich voll und ganz auf das Gebet zu konzentrieren.
Nach dem Gebet bittet der Imam kurz um Geduld. Er möchte noch etwas sagen: "Ihr konntet es ja nicht hören, aber ich habe im Gebet gerade aus der Sure Adh-Dhariyat rezitiert. Und ich möchte euch nur schnell an zwei kleine Ayat daraus erinnern: 'Und auf der Erde gibt es Zeichen für die Überzeugten und auch in euch selbst. Seht ihr denn nicht?' Schaut euch um, liebe Geschwister. Wie kann man sich inmitten der Schönheit dieses Waldes befinden und nicht verstehen, dass hinter all dem ein wundervoller Plan steckt – nämlich der Plan Allahs! Wir wollen Allah danken, dass wir in unserer Moschee Suleyman und sein Projekt-Team 'Nachhaltige Moschee' haben und dass wir so viel tun konnten, um die Schönheit von Allahs Schöpfung zu bewahren, inshaAllah."
Stolz lugt die Maus aus der Tasche zu Suleyman hinauf. Auch er sieht zufrieden aus, möchte aber auch noch etwas sagen: "Barakallahufik, Sheikh! Aber was wären all unsere Pläne und Ideen, wenn unsere Geschwister hier nicht mitmachen würden? Das Lob gehört uns allen!"
Damit es jetzt nicht zu sentimental wird und einigen womöglich noch Tränen kommen, weil sie so gerührt sind, folgt direkt noch eine Überraschung! Zwei Fahrradanhänger werden in die Mitte geschoben, und die Planen, mit denen sie abgedeckt waren, werden abgenommen. Zum Vorschein kommen viele in buntes Papier eingepackte Geschenke! Papier kommt natürlich anschließend in die Altpapiertonne und kann zu neuem Papier recycelt werden! Deshalb ist Papier auch viel besser als Plastik!
"Ach ja! Die Geschenke!", jubelt die kleine Maus. Gespannt verfolgt sie, wie die Namen der Kinder nach und nach vorgelesen und die Geschenke ausgegeben werden. Die Kinder öffnen ihre Geschenke und strahlen. Es befinden sich Bücher, Spiele und alle möglichen Spielwaren in den Paketen. Keinem Kind scheint wirklich aufzufallen, dass die Sachen gar nicht neu sind, denn alle haben sich große Mühe gegeben und nur verschenkt, was sie auch selbst als Geschenk mögen würden. Wenn man sich daran hält, machen auch Geschenke aus zweiter Hand richtig Freude, mashaAllah.
Nach und nach leeren sich die beiden Fahrradanhänger. Die kleine Maus denkt daran zurück, als sie sich mit Rote-Beete-Saft auch auf die Liste für die Geschenkpaten eingetragen hat. "Ob für mich vielleicht auch etwas dabei ist?", denkt sie sehnsüchtig. "Aber ich hab ja schon das tolle Dreirad bekommen. Da möchte ich lieber nicht noch mehr erwarten."
Während die Kinder ihre Geschenke auspacken und sich einen Spaß daraus machen, zu gucken, wer das Papier am allervorsichtigsten auspacken kann, damit man das Geschenkpapier noch einmal verwenden kann, entfernt sich Suleyman von der Gruppe. Er geht ein paar Schritte in den Wald hinein. Dort greift er vorsichtig in seine Tasche und holt die kleine Maus heraus. Sie freut sich über die frische Luft, als Suleyman sie auf einen umgefallenen Baumstamm setzt und sich daneben setzt. Aus der anderen Tasche holt er ein klitzekleines Geschenk heraus, das er der Maus vor ihr Näschen legt.
"Für mich?", piepst sie erstaunt. Mäuschen und Menschen sprechen ja leider nicht die gleiche Sprache. Aber das freundliche Lächeln von Suleyman versteht sie auch ohne gesprochene Worte. "Ach, ich bin so dankbar, dass Allah mich in die Moschee und zu Suleyman geführt hat!", seufzt die kleine Maus. Wie ängstlich war sie doch gewesen, weil sich der Töpfermeister eine Katze zugelegt hatte und sie die Werkstatt verlassen musste. Sie war sich sicher, der Einzug der Katze in die Werkstatt wäre ein großes Unglück gewesen. Doch jetzt, hier im Wald, wird ihr klar: Der Einzug der Katze war das Beste, was ihr passieren konnte. Sonst hätte sie sich doch nie auf die Suche nach einem neuen Zuhause gemacht und hätte nie die Moschee gefunden, nie Suleyman kennengelernt und nie dieses wunderbare Fest erlebt – und und und… Sie seufzt noch einmal und öffnet dann ganz vorsichtig das Papier...